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Was macht Bullshit so gefährlich?

Vor allem die unreflektierte “Berichterstattung” durch die Medien. Da wird jeder noch so große Haufen Bullshit massenhaft verbreitet und der “Meinungsbildung” zugeführt. Am Ende schlägt sich das in Meinungsumfragen nieder. Nun ist aber die “Meinungsbildung” von ganz besonderer Art, wie schon Platon in “Der Staat” (5.Buch, XXI) erkannt hatte:

(...)”Wenn aber etwas sowohl seiend wie nichtseiend ist, so liegt es doch zwischen dem rein Seinenden und vollkommen Nichtseienden?”

“Ja.”

“Da aber Erkenntnis zum Seienden gehört, Nichterkennen notwendig zum Nichtseienden gehört, so müssen wir für das zwischen Sein und Nichtsein Gelegene etwas zwischen Wissen und Nichtwissen Befindliches aufsuchen, falls es so etwa gibt.”

“Jawohl.”

“Nun gibt es sogenanntes Meinen.”

“Freilich.”

“Ist es dasselbe Vermögen wie das Erkennen?”

“Nein, ein anderes.”

(...)”Nun zurück, Bester! Nennst du das Erkennen ein Vermögen oder zu welcher Gattung rechnest du es?”

“Zu den Vermögen. Ich nenne es das gewaltigste Vermögen, das es gibt.”

“Weiter. Stellen wir wohl auch das Meinen unter die Vermögen oder stellen wir es in eine andere Gruppe.”

“Keinesfalls. Das, vermittelst dessen wir Meinungen  zu bilden vermögen, ist ja das Meinen.”

“Nun gabst du kurz vorher zu, das Erkennen und Meinen nicht dasselbe sei.”

“Wie kann ein Vernünftiger das Unfehlbare für dasselbe erklären wie das nicht Unfehlbare?”

“Richtig! Es ist also klar, daß wir über die Verschiedenheit von Erkennen und Meinen einig sind!”

“Jawohl.”

(...)”Wir bezeichnen das Nichtseiende notgedrungen als Gegenstand des Nichterkennens, das Seiende als Gegenstand des Erkennens.”

“Ja.”

“Und das Meinen ist weder Nichterkennen noch Erkennen.”

“Augenscheinlich.”

“Übertrifft wohl die Meinung die Erkenntnis an Deutlichkeit oder das Nichterkannte an Undeutlichkeit?”

“Keins von beiden.”

“Sie ist etwas Undeutlicheres als die Erkenntnis, etwas Klareres als die Nichterkenntnis.”

“Bei weitem.”

“Sie liegt innerhalb.”

“Ja.”

“Befindet sich zwischen jenen beiden.”

“Freilich.”    (Ende des Zitats)

Wenn unsere Berufspolitiker auf die Ergebnisse von Meinungsumfragen und “Sonntagsfragen” schielen, vertrauen Sie darauf, daß der von Ihnen produzierte Bullshit bei der Meinungsbildung wirksam ist. So soll verhindert werden, daß sich die Bullshitadressaten auf den Pfad der Erkenntnis begeben und nach den Inhalten der Worthülsen fahnden, mit denen sie von den Berufspolitikern zugepflastert werden. - Zu diesen Worthülsen gehört vor allem der immer wieder gehörte Spruch von der “liberalsten Verfassung, die es je in Deutschland gegeben hätte” - Erstens ist das Grundgesetz keine Verfassung, zweitens hatte der ausgewiesene Verfassungsexperte Aristoteles die Gefahren der “Demokratie”, wie man sie in diesem unserem Lande zu prkatizieren gedenkt, rechtzeitig erkannt und davor gewarnt:

„Die fünfte Art der Demokratie ist diejenige, in der zwar die bisher genannten Bestimmungen auch gelten, der ausschlaggebende Faktor aber der Wille der Menge ist, nicht das Gesetz. Dies ist da der Fall, wo die Volksbeschlüsse als solche Geltung haben, nicht das Gesetz. Dies ist die Folge der Wirksamkeit der Demagogen. Denn in den Demokratien, wo nach dem Gesetz regiert wird, ist kein Raum für Demagogen, sondern die tüchtigsten Bürger stehen an der Spitze. Wo aber die Gesetze nicht in Geltung stehen, da gedeihen die Demagogen. Denn hier wird das Volk zum Monarchen, indem es ein einheitlicher, aus vielen zusammengesetzter Souverän wird. Denn die Menge ist hier Herr; nicht der einzelne, aber die Gesamtheit. Ob Homer an der Stelle wo er sagt, >Vielherrschaft sei nichts Gutes<, diese Art der Demokratie gemeint hat oder eine Verfassung, bei der eine Mehrheit von Gebietern je für sich herrscht, muß dahingestellt bleiben. Ein solches Volk, das tatsächlich Monarch ist, sucht seine Herrschaft in der Weise auszuüben, daß es sich nicht dem Gesetz unterstellt, und wird so despotisch. Bei ihm stehen die Schmeichler in Ehren, und es entspricht unter den verschiedenen Formen der Monarchie der Tyrannis. Deshalb trägt es auch ganz denselben Charakter: beide vergewaltigen die tüchtigeren Bürger, die Volksbeschlüsse sind das, was dort persönliche Befehle sind, und der Demagog und der Schmeichler sind dieselbe Menschenart und entsprechen einander. Beide haben bei beiden die einflußreichste Stellung: die Schmeichler bei dem Tyrannen und die Demagogen bei einem solchen Volke. Diese sind daran schuld, daß die Volksbeschlüsse und nicht die Gesetze den Ausschlag geben, da sie alles vor das Volk bringen. Sie gewinnen dadurch den Vorteil, daß sie großmächtige Herren werden, da das Volk Herr über alles ist, sie selbst aber Herren über die Meinung des Volkes; denn die Menge schenkt ihnen Glauben. Erhebt man gegen einen Beamten eine Beschuldigung, so sagt man, das Volk müsse über ihn zu Gericht sitzen, und das Volk nimmt diese Berufung mit Freuden an. Das bedeutet aber den Ruin aller Ämter. Gegen eine solche Demokratie erhebt man offenbar mit Recht den Vorwurf, sie sei keine Verfassung mehr. Denn wo das Gesetz nicht herrscht, besteht auch keine Verfassung. Denn das Gesetz muß über alles herrschen, Einzelfälle aber müssen die Beamten gemäß der Verfassung entscheiden. Wenn also die Demokratie eine Verfassung ist, so ist es offenbar dieser Zustand, in dem die ganze Staatsverwaltung von den Volksbeschlüssen abhängt. Das ist aber keine Demokratie im eigentlichen Sinn, da kein Volksbeschluß es mit allgemeinen Fragen zu tun hat.“ (Politik - Verfassungsformen)

Tausende Kilometer von Griechenland entfernt machte sich Konfuzius seine eigenen Gedanken über die richtige Regierungsform. Seine Äußerungen sind etwas lapidarer als die seiner griechischen Kollegen, sind dafür aber prägnanter:

(Gespräche“ XIII, 3). (Der Schüler) Zi-lu sprach zu Konfuzius:
„Wenn Euch der Herrscher des Staates Wei die Regierung anvertraute – was würdet Ihr zuerst tun?“
Der Meister antwortete: „
Unbedingt die Namen richtigstellen.“
Darauf Zi-lu: „Damit würdet Ihr beginnen? Das ist doch abwegig. Warum eine solche Richtigstellung der Namen?“
Der Meister entgegnete: „Wie ungebildet du doch bist, Zi-lu! Der Edle ist vorsichtig und zurückhaltend, wenn es um Dinge geht, die er nicht kennt.
Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus.
Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Mißerfolg. Gibt es Unordnung und Mißerfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es zu tun und was es lassen soll. Darum muß der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um.

Das Herstellen und Verbreiten von Bullshit ist auch nicht frei von Nebenwirkungen, die auf die Bullshitter zurückwirken. Denn wer Bullshit produziert, verhält sich nicht korrekt:

(Gespräche XIII, 6): Konfuzius sprach: „Verhält man sich selbst korrekt, dann läuft alles, ohne daß Befehle gegeben werden müssen. Verhält man selbst sich aber nicht korrekt, so mag man noch so viel befehlen, die anderen gehorchen dennoch nicht.“

Das ist auch der Grund, warum wir in diesem unserem Lande “Straf- und Bußgeldbewehrte” Vorschriften im Übermaß haben. Sie dienen ausschließlich dazu, den natürlichen Ungehorsam gegenüber unsinnigen Anordnungen und Verboten zu brechen. - Demokratisch ist das nicht, das ist “Obrigkeit” par exellence!

Warum aber produzieren Berufspolitiker - vor allem in Wahlkampfzeiten - Bullshit im ĂśberfluĂź? - Warum sondern sie in kurzer Zeit mehr HĂĽlsen ab als der Auswerfer eines Maschinengewehrs? - Nun, auch auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort, die Sokrates vor rund 2.500 Jahren formuliert hatte und die bis heute unwiderlegt ist:


Sokrates sprach: “Es ist doch sonderbar, daß alle Menschen, die ein Saiteninstrument spielen, Flöte blasen, reiten oder sonst etwas Ähnliches lernen wollen, tüchtig üben, um es zu etwas Rechtem zu bringen. Die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten bringen sie sich auch nicht dilettantisch selbst bei, sondern begeben sich in die Lehre der besten Meister und unterstellen sich willig deren Anordnungen ... Da berührt es doch sonderbar, daß Leute, die tüchtige Redner und Politiker werden wollen, meinen, man könne ohne Vorbereitung und praktische Erfahrung in diesem Beruf etwas Tüchtiges leisten. Und doch sind die Anforderungen in diesem Bereich so ungleich höher, so daß man auch trotz der großen Zahl der Interessierten sehr selten einen fähigen Kopf unter den Politikern findet, jedenfalls seltener als unter den Künstlern der oben genannten Disziplinen. Offenbar benötigen die angehenden Politiker eine gründlichere und fleißigere Ausbildung und Schulung als jene. (Xenophon, Memorabilien IV, 7)